Rund 200 Gäste folgten der Einladung zur feierlichen Auftakt- und Gründungsveranstaltung des Forschungsverbunds Umwelt und Klima (Environment and Climate Research Hub, ECH) am 8. März im Großen Festsaal der Universität Wien: 

Grußworte sprachen Bundesministerin Leonore Gewessler, WWTF-Geschäftsführer Michael Stampfer, Rektor Sebastian Schütze und das Leitungsteam des ECH Thilo Hofmann und Sabine Pahl.

Die Keynote zum Thema „Die Klimadebatte – Zwischen Wissenschaft, Querdenkern & Populisten“ hielt der renommierte Klimaforscher und Ozeanograf Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Auf dem Panel diskutierte anschließend das ECH-Leitungsteam mit Stefan Rahmstorf und Katharina Rogenhofer, der Mitbegründerin der österreichischen Fridays-for-Future Bewegung und dem Institut für Klimafragen KONTEXT über die Relevanz interdisziplinärer Forschung für die Lösung von Umwelt- und Klimafragen und deren Kommunikation in die Gesellschaft.

Anlässlich des Weltfrauentags verlieh der ECH zum ersten Mal seinen Forschungs- und Umweltpreis an die hervorragenden Nachwuchswissenschafterinnen Lucia Fuchslueger und Tatiana Konrad der Universität Wien, sowie an Katharina Rogenhofer für ihr zivilgesellschaftliches Engagement.

© Markus Korenjak

Wissen schaffen und der Wissenschaftsskepsis entgegentreten

© ECH/Markus Korenjak

„Wir haben als Wissenschafter*innen mehr denn je die Aufgabe, nicht nur zu forschen, sondern auch Wissenschaft zu erklären, zu kommunizieren und somit das Vertrauen in Wissenschaft und was Forschung leisten kann und was nicht – zu stärken“, erklärte Umweltwissenschafter und Co-Leiter des ECH Thilo Hofmann in seiner Begrüßungsrede eine der wichtigen Überzeugungen, die dem neuen Forschungsverbund zugrunde liegen. Zur Lösung der großen Herausforderungen des Jahrhunderts, wie Umweltverschmutzung, Biodiversitätsverlust, Klimawandel und sozialer Wandel, brauche es „interdisziplinäre Forschung basierend auf disziplinärer Exzellenz“, so Hofmann weiter. Nur so könne der Wissenschaftsskepsis, die besonders in Österreich im europäischen Vergleich stark ausgeprägt sei, und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust in Institutionen und Politik, konstruktiv begegnet werden. „Wir scheuen die schwierigen Fragen nicht und suchen den Dialog“, ergänzte Co-Leiterin und Umweltpsychologin Sabine Pahl. Der ECH wolle Forscher*innen zusammenbringen, Expertise bündeln, und damit, so Pahl weiter, „dynamische und integrative Ansätze ermöglichen, Kreativität und Ideen fördern in einer Welt, in der ,Business as usual’ keine Option mehr ist”.

Vom zarten Pflänzchen zum prächtig blühenden Forschungsverbund (ECH) 

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Hofmann skizzierte die Genese der Vernetzung von Forschenden im Bereich Umwelt an der Universität Wien, die er vor 10 Jahren gemeinsam mit Ulrike Felt (Wissenschafts- und Technikforschung) und Gerhard Herndl (Meeresbiologie und Zoologie) noch als zunächst naturwissenschaftlich geprägtes Forschungsnetzwerk und „zartes Pflänzchen“ gründete. Heute sei er zusammen mit Sabine Pahl stolz auf den „prächtig blühenden Forschungsverbund“ aus 65 Forschenden und bedankte sich beim amtierenden Rektorat, das mit großem Support hinter dem strategischen Schwerpunkt „Umwelt und Nachhaltigkeit” der Universität Wien stehe. „Wir wollen natürlich noch wachsen“, so Sabine Pahl in einem Ausblick, „aber auch nicht zu viel, damit der intensive Austausch und die gemeinsame Identität, die uns so wichtig sind, erhalten bleiben”.

Sabine Pahl betonte abschließend, dass der Forschungsverbund nicht umsonst „Umwelt“ und „Klima“ in seinem Namen trage, denn die Fokusthemen „Klimaresilienz”, „Artenvielfalt und Ökosysteme”, „Saubere Umwelt” und „Gesellschaftliche Veränderung“ seien interdisziplinär und gleichzeitig untrennbar miteinander verbunden. „Wir haben auch absichtlich die positiven Formulierungen, z.B. ,saubere Umwelt’ statt ,Umweltverschmutzung’ gewählt, denn unsere Forschung soll zu Lösungen beitragen“, so die Umweltpsychologin Pahl.

„Wir wollen ja nicht, dass unsere Kinder in einer ,Mad Max‘-Welt leben müssen“

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In seinem Grußwort betonte Rektor Sebastian Schütze, wie wichtig es sei, zum Thema Umwelt und Klima die „fakultären Container“ zu verlassen. Mit dem Forschungsverbund werde ein wichtiges Signal gesetzt, denn „mit seinen 65 Wissenschafter*innen aus 14 Fakultäten ist dieser Forschungsverbund der Uni Wien so breit aufgestellt wie wenige andere Forschungsverbünde in der österreichischen Universitätenlandschaft“, so Rektor Schütze. Er dankte dem Leitungsteam Thilo Hofmann und Sabine Pahl, dass es zusammen mit den Mitgliedern des Verbunds faktenbasiertes Wissen bereitstelle und in die aktuellen Diskurse der Gesellschaft einbringen möchte, denn „Umwelt- und Klimafragen sind die großen Zukunftsthemen”, so Rektor Schütze abschließend.

Bundesministerin Leonore Gewessler nahm den internationalen Frauentag zum Anlass und betonte in ihrer Videobotschaft die Verbindung von Klimakrise und Geschlechterungerechtigkeit, die vor allem in Ländern, die stark von der Erderwärmung betroffen seien, bestehe. Frauen verhielten sich häufig umweltfreundlicher als Männer, trügen aber oft zusätzlich eine besondere Last, so Gewessler, „weil sie durch strukturelle Benachteiligungen verwundbarer gegenüber den Folgen der Klimakrise sind“. Für eine „resilientere, gerechtere und zukunftsorientierte Gesellschaft“ sei die Ermächtigung von Frauen also von entscheidender Bedeutung, erklärte die Bundesministerin.

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„Wenn gröbere Dinge schiefgehen, leben unsere Kinder und Enkel in einer ,Mad Max-Welt, in der Treibstoff die Währung ist“, zog Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) in seiner Rede eine Parallele zum dystopischen Actionfilm aus dem Jahr 1979. Der Forschungsverbund ist in seiner Interdisziplinarität eine beeindruckende Einrichtung, die der Brückenbildung dient und zu der ich der Universität Wien nur gratulieren kann”, so Stampfer. Der WWTF werde die Spitzenforschung aus diesem Bereich gerne weiterhin unterstützen.

„Die Klimadebatte – Zwischen Wissenschaft, Querdenkern & Populisten“

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In seiner Keynote griff Stefan Rahmstorf das in der Klimadebatte allzeit präsente Thema der Wissenschaftsskepsis und der gezielten Desinformation auf und warf einen Blick auf die Ursachen.  

„Die Erderwärmung wurde vorhergesagt, bevor man sie in Messdaten sehen konnte“, so Rahmstorf, schon Alexander von Humboldt habe 1843 festgestellt, dass „der Mensch das Klima verändert, durch Fällen der Wälder […] und durch die Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie“. Der Nobelpreisträger Svante Arrhenius berechnete bereits 1896 einen Anstieg von vier Grad, so Rahmstorf, und seit Jahrzehnten entwickele sich die Erderwärmung quantitativ, wie vorhergesagt. „Die wissenschaftlichen Fakten liegen schon lange auf dem Tisch“, betonte Rahmstorf, „aber man muss es vielen Menschen immer noch erklären, dass die Erderwärmung zu 100 Prozent anthropogen, also menschengemacht ist“. Grund sei eine von der fossilen Lobby gut finanzierte Desinformationskampagne, die die Klimaleugnung aktiv unterstütze und ein „erstaunliches Versagen der Medien, die die Lobbyaktivitäten nicht aufdecken, sondern an der Verbreitung der Falschaussagen mitwirken“. Nicht existente Forschungskontroversen würden herbeigeschrieben, Klimaskeptiker*innen in Diskussionsformaten unter dem Vorwand der Meinungsausgewogenheit zu viel Raum gegeben, Fake News über Klimalösungen wie Wind- und Sonnenenergie, Elektromobilität und Wärmepumpen verbreitet. Der Forschungsverbund Umwelt und Klima schlage eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und „genau das brauchen wir im Kampf gegen Populismus und Desinformation rund um Klimathemen“, so Rahmstorf in der anschließenden Paneldiskussion.

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„Der Forschungsverbund Umwelt und Klima schlägt eine Brücke zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Genau das brauchen wir im Kampf gegen Populismus und Desinformation rund um Klimathemen.“

Paneldiskussion: Wie gelingt der Wissenstransfer über Umwelt- und Klimathemen in Politik und Öffentlichkeit? 

Die von Marlene Nowotny (Ö1) moderierte Paneldiskussion schloss nahtlos an das von Stefan Rahmstorf vorgelegte Thema an. Das Co-Leitungsteam des ECH, Klimaforscher Rahmstorf und Katharina Rogenhofer, die im Januar 2024 das Institut für Klimafragen Kontext mitgegründet hat, diskutierten die Fragen, wie Wissenschaft mit Desinformation und Populismus rund um Umwelt- und Klimathemen umgehen solle und wie Wissenschaftskommunikation gestaltet werden müsse, damit Erkenntnisse in der Politik wahrgenommen werden und die Folgen des Klimawandels sichtbarer und direkter erfahrbar für die Öffentlichkeit gemacht werden könnten.  

„Die Klimadebatte ist in der Öffentlichkeit angekommen, so Katharina Rogenhofer, „die Menschen machen sich Gedanken über Lösungen“. Das Problem sei jedoch, dass es über die Lösungen aktuell eine massive Desinformation gebe. Einig war sich das Panel darüber, dass die Klimaforschung darauf hinweisen müsse, dass die Konsequenzen des Klimawandels in „unserem Leben“ jetzt schon deutlich spürbar seien. Um Menschen zu motivieren und ihnen Mut zu machen, müsse die Kommunikation aber neben Fakten auch Werte und Emotionen ansprechen, so Umweltpsychologin Sabine Pahl. Indem unterschiedliche Framings benutzt würden, wie beispielsweise konkrete Auswirkungen des Klimawandels auf Gesundheit und Artenvielfalt, könne man das Thema erfahrbarer und damit relevant machen, so Pahl weiter. 

Der Forschungsverbund im Dialog 

„Der Forschungsverbund hat es sich mit verschiedenen Kommunikationsformaten wie zum Beispiel der Diskussionsreihe „Umwelt im Gespräch“ im Naturhistorischen Museum zur Aufgabe gemacht, Wissenschaft zu kommunizieren und in die öffentliche Debatte zu tragen“, erklärte Thilo Hofmann, er kooperiere dafür auch eng mit dem Climate Change Centre Austria (CCCA), dem ScienceCenter Network und der Stadt Wien. Ein wichtiges Ziel des Forschungsverbunds sei auch, so das Leitungsteam abschließend, die wissenschaftliche Basis für evidenzbasierte Politik sowohl auf lokaler als auch Bundesebene zu liefern und hierfür auch internationale Netzwerke und Best Practice-Beispiele zu nutzen.

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Forschungs- und Umweltpreis des Forschungsverbunds Umwelt und Klima (ECH) zum ersten Mal verliehen

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Zum Abschluss des Festakts verlieh Vizerektorin Manuela Baccarini den zum ersten Mal vom ECH ausgelobten Forschungs- und Umweltpreis in zwei Kategorien. „Die drängenden Probleme der Welt sind nur gemeinsam zu lösen“, so Baccarini in ihrer Laudatio, und gemeinsam heiße hier „mit der vereinten Expertise, dem Talent und der Leidenschaft von Wissenschafter*innen aller Disziplinen zusammen mit engagierten Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, die sich für die sinnvolle Anwendung und den richtigen Umgang mit den wissenschaftlich erbrachten Erkenntnissen einsetzen“.

In der ersten Kategorie werde mit dem Forschungspreis die exzellente Forschung von Nachwuchswissenschafter*innen an der Universität Wien ausgezeichnet. Anlässlich des Weltfrauentages wurden die Leistungen zweier Nachwuchswissenschafterinnen hervorgehoben:

Lucia Fuchslueger vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung und Tatiana Konrad vom Institut für Anglistik und Amerikanistik wurden für ihre Forschungsleistungen geehrt, mit denen sie „einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Klimawandels geleistet haben“, so Baccarini.

In der zweiten Kategorie zeichnete der ECH Katharina Rogenhofer mit dem Gesellschaftspreis Umwelt und Klima 2024 ausfür ihre „unermüdliche und engagierte Arbeit, die Menschen aller Generationen zum Handeln motiviert“, wie Manuela Baccarini betonte. Katharina Rogenhofer verbinde zudem ihre Leidenschaft im Einsatz für eine nachhaltige Zukunft stets mit wissenschaftlicher Präzision und stütze sich dabei auf die neuesten Erkenntnisse der Umwelt- und Klimaforschung, betonte Baccarini in ihrer Laudatio.

Bericht: Nora Gau