Am 8. August 2024 veranstaltete der Forschungsverbund Umwelt und Klima (ECH) in Kooperation mit Climate Walk Austria seinen zweiten Climate Walk zum Thema „Wien – it’s getting hot in here!“. Angestoßen durch das Wissenschaftsmagazin Rudolphina befasste sich der Walk mit Hitzeinseln und wie sie sich auf das Leben in der Stadt auswirken.

Um 16:00 Uhr begann die 20-köpfige Truppe ihre Route am Karlsplatz, wo Lena Schmidlechner (ECH) die Teilnehmenden mit einleitenden Worten begrüßte. „Hitze wirkt sich invasiv auf unser Leben aus, verändert unseren Arbeitsalltag, betrifft vor allem vulnerable Gruppen, wie ältere Personen, und beschäftigt auch die Forscher*innen im ECH.“, so Schmidlechner. „All diese Aspekte wollen wir heute mit Euch diskutieren und gemeinsam etwas darüber lernen.“ Ihr Dank gelte auch Climate Walk Austria – das Format des Spaziergangs als Mittel zur Weitergabe von, und der gemeinsamen Auseinandersetzung mit Wissen sei ideal für das Ziel des ECHs „Klimathemen nicht nur innerhalb der Wissenschaft, sondern draußen, auf der Straße, mit den Menschen zu diskutieren.“, erklärte Schmidlechner weiter.

© ECH/Alexander Bachmayer
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Warum wir über Hitze in der Stadt sprechen müssen

Noch am Karlsplatz hielten Kerstin Krellenberg – Stadtforscherin und ECH-Mitglied – und Yvonne Franz – Stadtgeographin und wissenschaftliche Leiterin der „Kooperativen Stadt- und Regionalentwicklung“ an der Universität Wien – den ersten Vortrag, der eine Einführung in das Thema Hitze in der Stadt Wien gab.

„Die Anzahl der Hitzetage in Wien nehmen zu.“ So Krellenberg über die Bedeutung des Themas im urbanen Alltag. In Wien habe es allein diesen Sommer bereits 20 Hitzetage (Tage, an denen die Temperatur die 30° Grenze überschreitet) gegeben. Die parallele Zunahme an Tropennächten (in denen die Temperatur nicht unter 20° sinkt) – dieses Jahr bereits 16 an der Zahl – wirke sich massiv auf die Lebensqualität aus. „Hitzeinseln wurden schon in den 70er und 80er-Jahren beforscht“, erklärte Krellenberg weiter, „sie entstehen, wenn die Materialien in der Stadt Wärme speichern, diese dann in der Nacht abgeben und so ein Abkühlen verhindern.“ In Kombination mit den Auswirkungen des Klimawandels würden Hitzeinseln immer mehr zu einem Problem werden.

Gegen Bodenversiegelung müsse vorgegangen, die genutzten Materialien umgestellt werden. „Ein wichtiger Punkt in der Stadt ist nicht nur die Beschaffenheit der Materialien, sondern auch die verwendeten Farben.“, so Krellenberg weiter. Dunkle Farben absorbieren Wärme besonders – ein Extremfall sei der Asphalt, der sowohl über eine Materialbeschaffenheit verfüge, die Hitze stark speichere, als auch aufgrund seiner dunklen Farbe die Wärme zusätzlich absorbiere. Die Lösung? Laut Krellenberg brauche es mehr Grün. Pflanzen tragen durch Verdunstung zur Abkühlung in der Stadt bei, beschatten und filtern die Luft.

© ECH/Alexander Bachmayer
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Disparitäten zwischen Grün und Grau

Und hier, so Krellenberg abschließend, würden sich die entscheidenden Fragen stellen: „Nicht überall ist Begrünung in gleichem Maße möglich, nicht in jedem Stadtteil wird sie in gleichem Maße gefördert. Wo haben wir bereits Parks? Wer kann sich überhaupt einen Balkon leisten, auf dem Pflanzen stehen können, und in welchen Bezirken befinden sich diese Wohnungen?“ In der Wissenschaft spreche man von sozial-räumlichen Ungleichheiten. „Urbane Nachhaltigkeitstransformation“ ist ein Ansatz für fundamentale Veränderungen, die erforderlich sind, um Hitze nicht als ein singuläres Problem zu betrachten, sondern den vielschichtigen Herausforderungen auf gesamtstädtischer Ebene zu begegnen.

„Von Transformation sprechen wir, wenn es um das Große geht“, übernimmt Yvonne Franz das Wort. „Kleine Veränderungsprozesse, die dazu beitragen, nennen wir Transition.“ Wenn man Wien betrachte, würde die Stadt einiges richtig machen. Oft werde davon gesprochen, dass 50% der Stadt grün seien. „Wenn man sich aber die Stadt auf einer Karte ansieht, erkennen wir, dass diese großen Grünflächen fast ausschließend am Stadtrand liegen. Wenn man von Wien als lebenswertester Stadt spricht muss man sich also immer auch die Fragen stellen: “Für wen ist sie lebenswert? Wo wohnen diese Menschen? Und wo wohnen sie nicht?“. Ein wichtiger Begriff in der Geographie sei hier die räumliche Disparität. Unterschiede, die zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen auch in ihrem Zugang zu grünen Räumen und kühleren Bereichen bestünden, seien sowohl räumlich als auch politisch. Partizipative Stadtplanung kann hier eine Schlüsselwirkung erreichen. Angesichts einer Stadtbevölkerung, in der in einzelnen Wiener Bezirken fast die Hälfte nicht wahlberechtigt sei, wäre das ein wichtiger demokratiepolitischer Hebel, so Franz weiter. „Wenn wir heute durch die Stadt gehen: Sehen wir uns um – wen sehen wir in der Stadt? Und wen nicht?“.

Die Beschaffenheit der Luft

Als nächster Programmpunkt kam nun Silvio Heinze vom Verein Luftdaten.at ans Wort und teilte Luftmessgeräte an alle Teilnehmer*innen aus. Auch eine Wärmebildkamera stellte der Verein für diesen Climate Walk zur Verfügung. Luftdaten.at würde mit den Luftmessgeräten Feinstaub, Luftfeuchtigkeit, sowie Temperatur messen und mithilfe der erhobenen Daten Karten für Wien erstellen, die die Luftqualität übersichtlich darstellen, so Heinze. Dadurch würden auch Disparitäten in der Verteilung “guter Luft” deutlich.

Anna Schreinlechner von Climate Walk Austria erklärte den Teilnehmenden, dass an mehreren Punkten entlang der geplanten Route Messungen vorgenommen und mit der gefühlten Temperatur der Gruppenmitglieder verglichen werden würden. Die Messungen entlang des Weges verdeutlichten die Wichtigkeit von Beschattung: Steinböden, die über den Tag beschattet wurden waren bis zu 7° kühler als jene in der Sonne. Eine Teilnehmende, seit drei Jahrzehnten in Wien wohnhaft, sprach davon, dass die letzten Jahre vor allem die zunehmend heißen Nächte für sie zu einer Belastung würden. „Es ist interessant, dieses subjektive Unwohlsein nun mit den echten Daten der Messgeräte zu vergleichen.“ Auffällig waren auch die – sowohl gefühlten, als auch gemessenen – großen Temperaturunterschiede zwischen begrünten Räumen und jenen neben der Straße.

Ein Blick hinter das Tor

Nach der ersten Station am Karlsplatz führte die Route weiter zum Naschmarkt, wo auf Höhe des Alfred-Grünwald-Parks die nächste Messung durchgeführt wurde, die den großen Temperaturunterschied zwischen dem asphaltierten, unbeschatteten Gehsteig und einem kleinen beschatteten Bereich direkt daneben verdeutlichte. Hinter einer Mauer entlang der Wienzeile versteckt und durch ein Tor von der Straße getrennt wurde der Park 1981 auf Initiative der Anrainer*innen errichtet und 2008 um einen Wasserspielplatz ergänzt, erklärte Yvonne Franz. Als Bevölkerung einer der am dichtesten besiedelten Bezirke hätte es den Bewohner*innen des 6. Bezirks an Grünflächen in der direkten Wohnumgebung gefehlt. Am Beispiel des Parks inmitten der Wohnbauten lasse sich ein Wiener Spezifikum erläutern. „Im Vergleich zu anderen Gründerzeitstädten ist es in Wien einzigartig, dass hier immer wieder versteckte, kleinere Grünräume mitten in der gebauten Stadt zu finden sind“, so Yvonne Franz. Dieser Prozess müsse im Sinne einer „Sanften Stadterneuerung“ – ein Instrument der Stadtplanung, um bauliche Verbesserungen zu schaffen, ohne die lokale Bevölkerung durch Wohnkostensteigerung zu verdrängen – nun weitergeführt werden.

© ECH/Alexander Bachmayer
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Hitzefrei statt Arbeit?

Über die Gumpendorferstraße ging die Gruppe weiter zum Haus des Meeres, wo Markus Lerchbaum – Referent am zentralen Arbeitsinspektorat des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft – von den besonderen Herausforderungen der Hitze am Arbeitsplatz erzählte. Arbeitgeber*innen seien gesetzlich verpflichtet, Gefährdungen ihrer Arbeitnehmer*innen zu erkennen und dagegen vorzugehen. Dazu gehöre auch, Mitarbeitende vor Hitze zu schützen, wobei vor allem die Baustellenarbeit, Gartenarbeit und Lieferantendienste betroffen wären, so Lerchbaum. „Leider ist die Umsetzung oft schwierig. Es gibt sehr technische Verordnungen, wie eine Höchsttemperatur, bei der noch gearbeitet werden darf, die haben aber immer zahlreiche Ausnahmeregelungen.“ In Zukunft müsse man sich in Innenräumen auch die Frage stellen, ob verpflichtend Klimaanlagen eingebaut werden sollen, und wie man das klimafreundlich machen könne.

„Lange Zeit war es immer der Winter, in dem die Arbeit die meisten Gefahren geboten hat – aufgrund der Witterung kommt es da leichter zu Unfällen. Jetzt beginnt sich das erstmalig zu drehen, weil die Hitze im Sommer zu einem immer größeren Risiko wird.“, erklärte Lerchbaum. Beispielsweise hätten im Freien arbeitende Menschen eine 66% größere Wahrscheinlichkeit, an Hautkrebs zu erkranken, als andere Arbeitnehmer*innen, weil sie Sonneneinstrahlung ausgesetzt wären. „Eine wichtige Errungenschaft ist, dass weißer Hautkrebs in Österreich nun erstmals als Berufskrankheit anerkannt wurde. Jetzt wo das feststeht, können wir in die Prävention gehen, damit es in Zukunft gar nicht mehr so weit kommt.“, so Lerchbaum abschließend.

© ECH/Alexander Bachmayer
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Hitze ist nicht gleich Hitze

Den letzten Vortrag hielt Sophie Berghäuser – Freiwillige im Pensionist*innenklub Gumpendorferstraße, der kürzlich in eine Coole Zone umgewandelt wurde. Coole Zonen sind von der Stadt Wien finanzierte, öffentlich zugängliche und konsumfreie Räume mit angenehmen Temperaturen zwischen 20 und 24°. Gerade für ältere Menschen, die besonders vulnerabel gegenüber Hitze seien, würden Coole Zonen ein wichtiger Erholungsraum sein, so Berghäuser. „Deshalb haben wir im Sommer auch länger geöffnet, bis 18:00 Uhr, weil die älteren Leute eine Abkühlung brauchen.“ Jedoch wäre der Weg zum Pensionist*innenklub für die Gäste im Sommer oft die größte Herausforderung. „Für viele ist es einfach zu heiß. Ein paar von unseren Stammgästen wohnen nur 5 Minuten Fußweg entfernt, aber sie schaffen es nicht her in der Hitze.“, erklärte Berghäuser. „Es tut weh, das zu sehen. Ich würde gerne ein Freiwilligennetz aufbauen, damit man regelmäßig Begleitdienste anbieten kann. Viele dieser Leute haben sonst niemanden – wenn sie nicht herkommen, können sie tagelang mit niemandem interagieren.“ Generell wünsche sie sich, dass ältere Menschen, ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten gesamtgesellschaftlich ernster genommen würden, so Berghäuser abschließend. “Ältere Menschen haben etwas zu sagen, man muss nur mit ihnen reden.”

© ECH/Alexander Bachmayer
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Eine süße Abkühlung

Als letzten Programmpunkt waren alle Teilnehmenden zu einer Kugel Eis eingeladen. Mit dem Stanitzel in der Hand resümierte Eva Holzinger von Climate Walk Austria: „Heute haben wir viel über die Stadt und wie sie von Hitze geprägt wird gelernt. Wir haben bemerkt, dass Grün in der Stadt fairer verteilt werden muss, Arbeitnehmer*innen geschützt werden müssen und gerade vulnerable Gruppen – wie ältere Menschen – besonders unter der Hitze leiden.“ Vor allem aber hätte die Gruppe gelernt, dass es viele Ideen und Initiativen gäbe, wie wir uns der Hitze stellen können. „Ich habe einiges gelernt, von dem ich nichts wusste. Das war richtig Augen-öffnend!“, so eine Teilnehmerin.

© ECH/Alexander Bachmayer
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