Die Welt steht vor einer doppelten Herausforderung: wachsende Bevölkerung, Klimawandel und Ressourcenknappheit treffen auf eine Landwirtschaft, die eine große Belastung für die planetaren Grenzen darstellt. Und trotz modernster Anbaumethoden nimmt die Ernährungsunsicherheit wieder zu. In seinem Vortrag „Zukunftssicherung durch nachhaltige Ernährungssysteme“ auf der Wintertagung 2025 des Ökosozialen Forums skizzierte Thilo Hofmann, Leiter des Forschungsverbunds Umwelt und Klima der Universität Wien, die zentralen Herausforderungen globaler Ernährungssysteme und mögliche Lösungsansätze.

Globale Ernährungssysteme in der Krise 

„Moderne Ernährungssysteme haben einen zu hohen Ressourcenverbrauch und unsere Zivilisation überschreitet dauerhaft die planetaren Grenzen“, warnte der Umweltwissenschaftler Hofmann in seinem Vortrag und setzte damit einen deutlichen Akzent in der Diskussion über nachhaltige Ernährungssysteme. Bis 2050 wachse die Weltbevölkerung auf fast 10 Milliarden Menschen an, „und davon werden 70 Prozent in urbanen Räumen leben”, so Hofmann, „gleichzeitig trägt die Landwirtschaft 19 bis 29 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei, verbraucht 70 Prozent der Wasserressourcen und vergeudet ein Drittel aller produzierten Lebensmittel – während Millionen Menschen hungern.” 

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„Unsere Ernährungssysteme funktionieren nicht mehr“, erklärte der Wissenschaftler.  Landwirtschaftliche Praktiken, die einst Nahrungssicherheit garantierten, schadeten heute dem Planeten. Gleichzeitig gerieten Bäuerinnen und Bauern weltweit unter Druck durch volatile Märkte, steigende Kosten und klimatische Unsicherheiten. Hofmanns Analyse machte klar: Ohne grundlegenden Wandel stehe nicht nur die Ernährungssicherheit, sondern auch die Gesundheit der Menschen und des Planeten auf dem Spiel. 

Zielkonflikte in Ernährungssystemen 

Hofmann machte deutlich, dass in bestehenden Ernährungssystemen unterschiedliche Interessen miteinander kollidierten. Auf der Konsument*innen-Ebene prallten die Fragen „Was sollen wir essen?“, „Was wollen wir essen?“ und „Was können wir uns leisten?“ aufeinander. Ein Beispiel: In der Lebensmittelproduktion seien industrielle Dünger einerseits unverzichtbar, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten, „doch die Überdüngung bringt andererseits den globalen Stickstoffkreislauf aus dem Gleichgewicht.” Auch Kunststoffe hätten wichtige Anwendungen in der Landwirtschaft, erklärte Hofmann, „denn sie sparen Wasser und Pestizide ein, erhöhen Ernten, schaffen aber wieder neue Probleme wie die Umweltverschmutzung durch Plastik.” Nur mit kreativen Ansätzen könnten diese komplexen Herausforderungen ganzheitlich gelöst werden, schlussfolgerte der Umweltwissenschaftler.  

Lösungen für eine nachhaltige Zukunft 

Trotz der enormen Herausforderungen Ernährung und Umwelt in Einklang zu bringen, zeigte Hofmann Wege aus der Krise auf. Im Zentrum stehe eine Transformation hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen. Ein vielversprechender Ansatz auf der Seite der Konsument*innen sei die „Planetary Health Diet“, so Hofmann, „denn diese kombiniert gesunde Ernährung mit planetarer Nachhaltigkeit und bietet Ansätze, wie der Anbau von Lebensmitteln direkt für den menschlichen Verbrauch effizienter gestaltet werden kann.” Technologische Innovationen und resiliente Pflanzensysteme könnten ebenfalls dazu beitragen, Nahrungsmittel effizienter und umweltschonender zu produzieren. Grundlegend müssten sich globale Handelssysteme und Anreizstrukturen ändern, um Ernährungssysteme resilienter, fair und nachhaltig zu gestalten.  

Wichtig ist laut Hofmann auch die Reduktion von Lebensmittelverlusten. „Und noch eine unbequeme und eigentlich allgemein bekannte Wahrheit möchte ich nicht unerwähnt lassen”, so Hofmann, „der Fleischkonsum ist in allen westlichen Ländern zu hoch und er geht mit erheblichen Gesundheitsproblemen und Umweltfolgen einher.” Die Lösung liege auf der Hand und hätte für alle nur Vorteile, erklärte der Forscher, denn „wenn wir es schaffen, den Fleischkonsum zu reduzieren, ernähren wir uns gesünder und günstiger und helfen gleichzeitig der Umwelt."

„Auch wenn wir Anbauflächen effizienter nutzen um Lebensmittel direkt für den Verzehr und nicht als Tierfutter herzustellen, könnten wir bis zu vier Milliarden Menschen zusätzlich ernähren“, erklärte der Wissenschaftler. Jedoch gelte auch hier: Lösungen müssten im regionalen Kontext gedacht werden, denn nicht jede Region der Erde lasse dies zu. So könnten Tiere aus Gräsern und Sträuchern hochwertige Proteine herstellen, was dem Magen des Menschen nicht gelinge. „Tierische Nahrungsmittel spielen daher nach wie vor in der globalen Ernährung eine wichtige Rolle”, so Hofmann, „aber es geht um das ,wie und um das ,Maß halten’, denn weniger ist mehr.”

Ernährungssysteme im Mittelpunkt der Nachhaltigkeit

Hofmann machte in seinem Vortrag auch deutlich, dass alle 17 UN-Nachhaltigkeitsziele direkt oder indirekt mit Ernährungssystemen verknüpft sind. Daher seien grundlegende Reformen dieser Systeme nötig, um die globale Ernährungskrise in den Griff zu bekommen. „Denn diese Krise ist nicht nur ein Problem für die Landwirtschaft, sondern eine zentrale Herausforderung für die gesamte Gesellschaft”, so das Fazit des Forschers.

Die Tagung des Ökosozialen Forums in Wien findet noch bis zum 30. Januar 2025 statt und widmet sich drängenden Themen der Landwirtschaft. Sie bietet Einblicke in aktuelle Herausforderungen, politische und wirtschaftliche Entwicklungen sowie zukunftsweisende Trends und Innovationen im Agrarsektor.

Mehr zum Thema in Thilo Hofmanns Keynote in unserem Diskussionsformat "Umwelt im Gespräch - Landwirtschaft und Planetary Health":