Die Frage nach einer gesunden und nachhaltigen Ernährung ist Gegenstand zahlreicher öffentlicher und wissenschaftlicher Debatten. Dabei ist die Art und Weise wie wir uns ernähren, nicht nur relevant für uns als Menschen, sondern über die Landwirtschaft auch eng mit der Gesundheit des Planeten verbunden. Die neunte Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Umwelt im Gespräch“ stand daher im Zeichen dieses vielschichtigen Themas, das an die aktuelle Semesterfrage der Universität Wien angelehnt war: Landwirtschaft und Planetary Health – Möglichkeiten für eine gesunde und nachhaltige Ernährung.

Die Veranstaltungsreihe „Umwelt im Gespräch“ vereint vielfältige Perspektiven auf ein aktuelles, globales Problem; diesmal wurde diskutiert, wie Ernährung, Landwirtschaft und planetare Gesundheit zusammenhängen und für die Zukunft des Planeten von zentraler Bedeutung sind. Die Veranstaltung am 30. Mai war zudem die erste unter dem Schirm des neugegründeten Forschungsverbunds Umwelt und Klima der Universität Wien, welcher als Nachfolger des Forschungsnetzwerks Umwelt dessen interdisziplinäre Forschung und Vernetzung in größerem Umfang weiterführt.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von der Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Katrin Vohland, Nikolaus Hautsch, Vizerektor der Universität Wien für Infrastruktur, und dem Professor für Meeresbiologie an der Universität Wien Gerhard Herndl.

Thilo Hofmann, Co-Leiter des Forschungsverbunds und Umweltgeowissenschafter an der Universität Wien, gab in seinem Impulsvortrag einen Überblick zum Thema des Abends. Dabei stellte er die Frage, wie wir in Zukunft 10 Milliarden Menschen im Einklang mit der Gesundheit unseres Planeten ernähren können. Ernährungsunsicherheit und Unterernährung nehmen trotz technologischer Fortschritte seit 2015 wieder zu, unter anderem auf Grund von klimatischen Veränderungen und sozialen Konflikten. Eine effiziente Landwirtschaft sei zwar essenziell für die Lebensmittelproduktion, verursache aber auch diverse Umweltschäden, beispielsweise durch die Abholzung von Wäldern, den Ausstoß von Treibhausgasemissionen und die Beschleunigung von Biodiversitätsverlusten.

In diesem Kontext machte Thilo Hofmann auf die planetaren Grenzen aufmerksam, welche durch den steigenden Lebensmittelbedarf und hohen Ressourcenverbrauch gefährdet sind, überschritten zu werden. Das kritische Problem in der Beziehung zwischen Ernährung, Landwirtschaft und planetarer Gesundheit sei, dass die wachsende Bevölkerung bei fortlaufender Umweltschädigung nicht mehr gleichzeitig gesund ernährt und ein Gleichgewicht der planetarischen Ressourcen hergestellt werden könne. Mögliche Lösungsansätze für diese dringliche Problematik könnten sein: Die Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten, der direkte Anbau von Nahrungsmitteln für die menschliche Ernährung, resilientere Landwirtschaftssysteme durch eine größere Bandbreite von Nutzpflanzen oder die Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Produktion und bei den Konsumentinnen und Konsumenten.

Die Sozial- und Ernährungswissenschafterin Stefanie Lemke von der Universität für Bodenkultur Wien reflektierte die sozialen Aspekte von Nahrungssicherheit. Diese beinhalten unter anderem das Privileg, Zugang zu gesunder Ernährung und ausreichend landwirtschaftlichen Ressourcen zu besitzen. Sozial schwächeren oder indigenen Gruppen fehle es dabei zumeist an grundlegenden Rechten; sie benötigten unbedingt eine verbesserte Teilhabe am globalen Ernährungssystem.

Gesunde Ernährung sei aber auch wesentlich mit individuellem Konsumverhalten verbunden, so der Ernährungswissenschafter Karl-Heinz Wagner von der Universität Wien. Bildung sei für ihn der entscheidende Faktor für eine gesunde Ernährung, wobei speziell Lebensmittelverschwendung einen „gesunden Menschenverstand“ beim Verbrauch wie auch eine verbesserte Aufklärung des Einkaufsverhaltens erfordere.

Thilo Hofmann bestärkte, dass eine allgemeine Umstellung der Lebensgewohnheiten nötig sei und gesunde sowie nachhaltige Ernährung an öffentlichen Einrichtungen lückenlos bereitgestellt werden solle. Bei der Frage nach fairen Ernährungssystemen setzte er bei Lebensmittelmärkten an und plädierte dafür die „realen“ Kosten im Hinblick auf Gesundheit und Nachhaltigkeit von Lebensmitteln klarer zu benennen.

Über den Biodiversitätsforscher Franz Essl von der Universität Wien schwenkte der Fokus der Diskussion auf die Landwirtschaft: Diese wolle der Ökologe nicht mehr nur als Produktionsstätte betrachten, sondern als Schlüssel zur Sicherung einer intakten Artenvielfalt und eine essenzielle Komponente in der Klimapolitik. Einer seiner Forschungsschwerpunkte, der fortschreitende Biodiversitätsverlust, ist ein wesentlicher Faktor für Nahrungsunsicherheit, wird andersherum aber auch durch menschliche Ernährungsweisen und Landwirtschaft stark beschleunigt.

Landwirtschaft könne wiederum auch anders funktionieren, wie die Mikrobiologin Petra Pjevac von der Universität Wien anhand ihrer Forschung zeigte. Ihre wissenschaftliche Arbeit zu alternativen Stickstoffumwandlungs-Hemmern könne Landwirtschaft gleichzeitig klimafreundlicher und effizienter machen. Pjevac erklärte die Wichtigkeit ihrer Forschung im Hinblick darauf, dass Ernährungssicherheit und Biodiversität gemeinsam gewährleistet werden können.

 

Moderiert von Marlene Nowotny (Ö1), entwickelte sich eine spannende Diskussion, visuell untermalt durch das Graphic Recording von Kathrin Gusenbauer. Podium und Publikum kamen im Laufe des Abends unter anderem über die Frage ins Gespräch, an welchen Bereichen der Gesellschaft angesetzt werden müsse, um gesunde und nachhaltige Ernährung verstärkt zu etablieren. Weiterhin kamen aus dem Publikum Impulse zu der Verantwortung von Unternehmen an der Gesundheit von Menschen und Planet sowie die Rolle der Wissenschaft in der notwendigen Transformation des Ernährungssystems.

Der Forschungsverbund Umwelt und Klima freut sich über eine gelungene und vor allem inhaltlich anregende Veranstaltung und arbeitet über das „Umwelt im Gespräch“ und andere Formate weiter an der Vernetzung von Umweltforschung inner- und außerhalb der Universität Wien.

 

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Graphic Recording

von Kathrin Gusenbauer (irrlicht-impressions.com)