Der Environment and Climate Research Hub der Universität Wien liefert zentrale Beiträge zum neuen Klimabericht

Am 17. Juni ist der Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel erschienen. Die Universität Wien ist dabei prominent vertreten: Mit Sabine Pahl und Alina Brad haben zwei ihrer Wissenschaftlerinnen zentrale Kapitel zur gesellschaftlichen Transformation und Klima-Governance koordiniert. Beide sind Mitglieder des Environment and Climate Research Hub (ECH).

Nationaler Klimabericht mit internationalem Anspruch

Der Zweite Sachstandsbericht analysiert die konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf Österreich und zeigt, dass die Alpenrepublik besonders betroffen ist. Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse legt er dar, welche Maßnahmen und Transformationen notwendig sind, um auf bereits spürbare Folgen wie Hitzewellen, Extremwetterereignisse und wirtschaftliche Schäden zu reagieren. Deutlich gemacht wird auch, dass vorsorgender Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen auf lange Sicht kostengünstiger sind als die Bewältigung der Schäden, die der Klimawandel verursacht.

Der Aufbau orientiert sich an den IPCC-Berichten, der Fokus liegt jedoch klar auf nationalen Herausforderungen. Seit 2022 arbeiteten rund 200 Forschende verschiedenster Disziplinen aus über 50 Institutionen in Österreich und international am Bericht. In acht Kapiteln werden physikalische Grundlagen, sektorale Auswirkungen, gesellschaftliche Anpassungen und Transformationspfade ebenso behandelt wie spezifische Herausforderungen alpiner Regionen. Ziel ist es, evidenzbasierte Grundlagen für politische Entscheidungen und eine breite gesellschaftliche Debatte zu schaffen.

Herausgegeben wird der Klimabericht vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) und gefördert vom Klima- und Energiefonds mit Mitteln des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK).

„Der Klimawandel ist längst bei uns angekommen und er betrifft unser aller Leben“, so Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig bei der Präsentation des Berichts, „mit dem neuen Klimasachstandsbericht halten wir jetzt ein wissenschaftliches Fundament in Händen, das zeigt, wie tiefgreifend die Veränderungen in Österreich bereits sind – aber auch, wie viele Möglichkeiten wir haben, gegenzusteuern. Die Zahlen sind eindeutig, aber sie sind kein Grund zur Resignation, sondern ein klarer Auftrag zum Handeln“, so der Minister weiter.

Wissenschaftlerinnen der Universität Wien unter den Hauptautor*innen

Sabine Pahl, Umweltpsychologin und Co-Leiterin des ECH, koordinierte das Kapitel „Transformation der Nachfrage“ gemeinsam mit Kolleginnen von den Universitäten Graz (Ilona Otto) und Innsbruck (Esther Blanco). „Der Klimabericht macht deutlich, dass effektive Klimapolitik nicht nur technologische, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen erfordert – und dass diese wissenschaftlich begleitet werden müssen“, erklärt Pahl. Ihre Forschung untersucht Wahrnehmungen und Verhaltensweisen im Umweltkontext und findet im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit statt, denn „die Integration verschiedener Perspektiven hilft, nachhaltige Lösungen für aktuelle und zukünftige Probleme zu entwickeln”, so die Co-Leiterin des ECH.

Alina Brad, Politikwissenschaftlerin und ebenfalls Mitglied im ECH, verantwortete gemeinsam mit Kolleg*innen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Claudia Kettner, WIFO) und der BOKU University (Daniel Ennöckl), das Kapitel zum Thema „Klima-Governance”. „Der Bericht zeigt, wie politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamiken die Transformation beeinflussen – und wo konkrete Hebel für ambitionierte Klimapolitik liegen“, so Brad, deren Forschung sich unter anderem mit Technologien zu Carbon-Dioxide-Removal, sozial-ökologischen Transformationsprozessen und nachfrageseitigem Klimaschutz befasst.

Weitere Forscher*innen der Universität Wien und ECH-Mitglieder unter den Leitautor*innen des Klimaberichts sind Kerstin Krellenberg (Urban Studies), Ulrich Brand (Internationale Politik), Stefan Dullinger (Biodiversität) und Stephan Glatzel (Geoökologie).

Der aktuelle Klimabericht brachte 41 österreichische Institutionen und 16 internationale Einrichtungen zusammen, “was die große Wichtigkeit eines gemeinsamen Ansatzes betont”, so Sabine Pahl, und wurde koordiniert von den Co-Chairs Margreth Keiler (Universität Innsbruck), Daniel Huppmann, Keywan Riahi (beide IIASA) und Harald Rieder (Boku University), die von mehreren Postdocs und Nachwuchswissenschaftler*innen als Technical Support Unit und Chapter Scientists unterstützt wurden.  

Ein begleitender Stakeholder-Prozess stellte sicher, dass neben wissenschaftlicher Exzellenz auch gesellschaftlich relevante Perspektiven in den Bericht einfließen – und damit der Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel als fundierte Grundlage für die Zukunftspolitik Österreichs dienen kann.

„Der Bericht ist mehr als ein wissenschaftliches Werk – er zeigt auch Werkzeuge und Lösungsansätze auf“, so Umweltminister Totschnig, „wenn wir die richtigen umwelt- und klimapolitischen Weichen stellen, können wir unsere Heimat schützen, unsere Wirtschaft zukunftsfit machen und die Lebensqualität für kommende Generationen sichern.“ Totschnig dankte den Wissenschaftler*innen, die diesen Bericht erarbeitet haben, denn sie lieferten „nicht nur Fakten, sondern Orientierung – für Politik, Wirtschaft und jede und jeden Einzelne*n von uns. Jetzt liegt es an uns, diese Verantwortung gemeinsam zu übernehmen.“

ECH: Brücke zwischen Forschung und Praxis

Der Environment and Climate Research Hub (ECH) vereint 69 Forscher*innen aus Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften, um gemeinsam evidenzbasierte Grundlagen für die Lösung der sogenannten „Triple Crisis“ – Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung – bereitzustellen. „Die großen Umwelt- und Klimafragen unserer Zeit erfordern ein Denken über Disziplingrenzen hinweg. Der ECH schafft dafür den Raum und macht die Universität Wien zu einer zentralen Akteurin in der interdisziplinären Umweltforschung in Österreich“, so Sabine Pahl, Co-Leiterin des ECH.

Sabine Pahl, ©derknopfdruecker

Sabine Pahl ist Professorin für Stadt- und Umweltpsychologie und Co-Direktorin des ECH an der Universität Wien. Sie erforscht Wahrnehmungen und Verhaltensänderungen, insbesondere im Bereich des Schutzes der Meeresumwelt, des Meeresmülls und des Mikroplastiks. In ihrer Arbeit untersucht sie auch die erholsamen Auswirkungen natürlicher Umgebungen, einschließlich der Nutzung natürlicher Umgebungen im Gesundheitswesen.

Alina Brad ist Senior Scientist im Bereich Internationale Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und Mitglied des ECH. Ihre Forschungsinteressen sind internationale Klima- und Umweltpolitik, CDR-Technologien, Dekarbonisierung, politische Ökologie und sozio-ökologische Transformation.

Alina Brad