Neue Studie der Universität Wien untersucht Zusammenhang zwischen Umweltbewusstsein und Kinderwunsch 

Eine neue Studie der Universität Wien zeigt: Eltern sorgen sich langfristig stärker um Umwelt und Klima als kinderlose Menschen. Das Forschungsteam rund um ECH-Mitglied Erich Striessnig vom Institut für Demographie analysierte anhand von Langzeitdaten aus Deutschland, wie sich Umweltbewusstsein auf Elternschaft auswirkt – und umgekehrt. Die Ergebnisse, die im renommierten Journal Population and Environment veröffentlicht werden, stellen gängige Narrative über „klimaschädliche“ Elternschaft infrage.

In der öffentlichen Debatte wird Elternschaft zunehmend mit ökologischen Bedenken verknüpft. Doch wie wirkt sich Elternschaft tatsächlich auf das Umweltbewusstsein aus? Und beeinflusst umgekehrt die Sorge um die Umwelt die Entscheidung, Kinder zu bekommen? Diesen Fragen widmet sich ein Forschungsteam der Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung, der LUISS University Rom und weiteren Partnerinstitutionen.

„Unsere Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass Elternschaft vor einem altersbedingten Rückgang des Umweltbewusstseins schützt“, erklärt Studienleiter Erich Striessnig vom Institut für Demografie der Universität Wien und Mitglied im interdisziplinären Forschungsverbund Umwelt und Klima (ECH). „Während das Umweltbewusstsein in unserem Datensatz bei kinderlosen Personen mit zunehmendem Alter allgemein eher abnimmt, bleibt es bei Eltern vergleichsweise stabil.“ 

Kinder als Katalysator für Umweltbewusstsein?

Das Novum der Studie ist im Vergleich zu anderen Forschungsarbeiten zu diesem Thema der über mehrere Jahrzehnte zurückreichende Datensatz: Die Forschungsergebnisse basieren auf Daten des German Socio-Economic Panel (GSOEP), das seit 1984 regelmäßig Informationen zu Einstellungen und Lebensverläufen erhebt. Damit konnten die Forschenden Umweltbewusstsein und Elternschaft über mehr als vierzig Jahre hinweg analysieren. Besonders interessant: Menschen, die in ihrer Jugend Umweltkatastrophen, wie z.B. Tschernobyl, erlebt haben und dadurch geprägt wurden, bekamen tendenziell später oder gar keine Kinder. Umweltbewusstsein scheint also auch das Timing der Elternschaft zu beeinflussen.

Ob und wie die wachsende Sorge um den Klimawandel die Familienentscheidungen junger Menschen beeinflusst, ist derzeit noch offen. „In den Daten der jüngsten Geburtskohorten sehen wir bislang keine Hinweise darauf, dass klimabezogene Zukunftsängste zu einem Rückgang der Kinderzahlen führen“, erklärt Erstautor Steffen Peters vom Max-Planck-Institut. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn kommende Generationen das Gefühl haben, dass nicht ausreichend gegen die Klimakrise unternommen wird und die Welt für Kinder zu unsicher erscheint.

Elternschaft als gesellschaftlicher Mehrwert

Die Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Rolle von Elternschaft in der Klimakrise. „Wenn nur noch Menschen ohne Umweltbewusstsein Kinder bekommen, droht langfristig eine klimaskeptische Gesellschaft“, warnt Striessnig. Elternschaft könne hingegen zur Weitergabe umweltbewusster Werte beitragen – sowohl durch Vorbildwirkung als auch durch die sogenannte „intergenerationale Transmission von Einstellungen“.

Gleichzeitig betont das Forschungsteam die Notwendigkeit weiterer Studien: „Wir wissen noch nicht, ob umweltbewusste Eltern tatsächlich umweltbewusste Kinder haben und ob sich Einstellungen auch in konkretem Verhalten niederschlagen“, so Striessnig und Peters. Die aktuelle Analyse basiert auf subjektiven Einschätzungen, nicht auf objektiv messbarem Umweltverhalten.

Diese Fragestellung eröffnet ein spannendes Feld für zukünftige Forschung an der Schnittstelle von Demographie, Soziologie, Umweltpsychologie und Politikwissenschaft. Der Forschungsverbund Umwelt und Klima (ECH), dem Striessnig angehört, stellt dabei einen zentralen Leuchtturm der interdisziplinären Forschung in Österreich dar, um diese komplexen Zusammenhänge multidimensional zu betrachten.

Ein Plädoyer gegen Klimascham 

Während die Forschenden einerseits auf die individuelle Verantwortung hinweisen, die mit Elternschaft einhergeht, sprechen sie sich zugleich auch klar gegen jeglichen gesellschaftlichen Druck aus, jungen Menschen – insbesondere Frauen – aus Klimagründen den Verzicht auf Kinder nahezulegen. „Peer Pressure“ und ‚Climate Change Child-Shaming‘ sollten keine Grundlage für so weitreichende Lebensentscheidungen sein“, sagt Striessnig. Vielmehr brauche es eine differenzierte Debatte über die Rolle von Elternschaft in einer nachhaltigen Gesellschaft. 

Wissenschaftlicher Beitrag zu einer emotionalen Debatte 

„Das Thema ist für unsere Zukunft von großer Bedeutung und wird in der Gesellschaft sehr emotional diskutiert “, betont Striessnig. „Gerade deshalb ist der wissenschaftliche Beitrag zum öffentlichen Diskurs so wichtig. Mehr Wissen über die Hintergründe kann helfen, die Debatte zu versachlichen und konstruktiv voranzubringen“, so die Hoffnung des Forschers. 

Für Striessnig ist jedoch eins klar: „Der Planet ist krank und braucht gute Betreuung. Wenn Kinder krank sind, werden sie üblicherweise von ihren Eltern betreut. Im Falle des kranken Planeten werden dies zukünftig unsere Kinder übernehmen müssen. Es wäre wichtig, dass sie dann mit ausreichend (Für-)Sorge um den erkrankten Planeten ausgestattet sind.“

Forschungsverbund Umwelt und Klima: Brücke zwischen Forschung und Praxis 

Erich Striessnig ist außerordentlicher Professor und stellvertretender Leiter am Institut für Demografie der Universität Wien sowie Mitglied des interdisziplinären Forschungsverbunds Umwelt und Klima der Universität Wien (Environment and Climate Research Hub). Dieser bringt Forschende verschiedenster Disziplinen zusammen, um exzellente wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die Lösungen für drängende Probleme wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung bieten können.  

Erich Striessnig ist außerordentlicher Professor für Demographie und nachhaltige Entwicklung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen der Zusammenhang des CO2 Fußabdrucks mit Geburtenraten, Bevölkerungsprognosen, Wechselwirkungen zwischen Bevölkerung und Umwelt sowie nachhaltige Entwicklung.